Des einen Freud ist des anderen Leid. Eine faszinierende visuelle Erscheinung in der Kunst und Architektur.
Für Künstler ist das Moiré-Muster ein beliebtes Phänomen, mit dem unsere Wahrnehmung leicht manipuliert werden kann. Der Moiré-Effekt wird in verschiedenen Medien, von der Malerei bis zur digitalen Kunst, genutzt und auch in der Architektur ist er nicht nur ein technisches Kunstspiel, sondern auch eine Inspirationsquelle für viele Designer.
Wie entsteht Moiré-Effekt und warum ist er bei Künstlern total beliebt, für Fotografen ein Störfaktor und bei Modedesignern voll im Trend?
Ganz einfach gesagt: Moiré entsteht, wenn sich zwei regelmäßige Muster überlagern.
Unsere Augen kommen damit nicht besonders gut klar, wenn zwei Schichten mit regelmäßigen Mustern etwas verschoben übereinander gelegt werden. Denn genau dann entsteht der Effekt dieser optischen Täuschung, bei dem wir glauben, dass das Bild sich bewegt oder etwas unscharf wird.
Abgeleitet ist das Wort Moiré vom französischen Begriff „moirer“, was so viel bedeutet wie „marmorieren“. Der Effekt hat also nichts mit dem Sterben (franz. „mourir“) zu tun, auch wenn diesem meist unerwünschten Bildfehler bei Film und Fernsehen oftmals der Tod gewünscht wird.
In der digitalen Welt ist es nämlich so, dass gleichmäßige Muster, die feiner sind, als die kleinste Auflösung der Kamera oder des Bildschirms, ebenfalls den Moiré-Effekt erzeugen. Vielleicht habt ihr ihn selbst schon einmal beobachten können? Egal, ob es die Moderatorin in einer feinen Nadelstreif-Bluse oder der Schauspieler im schicken Karo-Jackett ist – Kleidung ist geradezu dafür prädestiniert, bei Kameraleuten und Bildingenieuren Panik auszulösen. Die feinen Linien des Nadelstreif und die winzigen Quadrate im Karo-Muster können unseren Augen schwer zu schaffen machen und sind demnach vor der Linse ein absolutes „no-go“.
Was also tun? Bei Foto- und Videoaufnahmen kann man mit doppelt so hoher Auflösung als die feinste Linie, die man abbilden möchte, diesen „Störfaktor“ Moiré loswerden. Und im worst case greifen uns Bildbearbeitungsprogramme wie Photoshop & Co im Nachhinein unter die Arme.
In der analogen Welt kann der künstlerische Effekt und ebenfalls sprichwörtlich die Augen verdrehen. Gerade in der Modebranche wird der Kreativität kaum Grenzen gesetzt: Unterschiedlichste Stoffe, in den buntesten Farben und mit raffiniertesten Mustern machen „des Kaisers neue Kleider“. Da gibt es kein richtig oder falsch und Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden.
Jedenfalls ist Moiré dort eine beliebte dekorative Maserung und seit langem eine Geheimwaffe für große Modehäuser und Designer. Wunderbar für ein Cocktailkleid, eine Jacke, Accessoires oder Wohndekoration – Wer will, der hat – ganz nach eigenem Geschmack.
Moiré-Effekt in der Architektur: Wie können Gebäude und Bauwerke uns optisch täuschen?
Ob ihr es glaubt oder nicht, der Moiré-Effekt findet auch in der Architektur Anwendung, wobei hier das Spiel von Licht und Schatten, Struktur und Perspektive eine zentrale Rolle spielt.
Louis Vuitton bedient sich nicht nur bei seinen Taschenkollektionen des Moiré-Musters. Die „Fondation Louis Vuitton“ in Paris ist ein Privatmuseum in dem Kunstwerke hauptsächlich aus dem 20. Jahrhundert ausgestellt sind. Auf beeindruckende Weise zeigt das Bauwerk die Möglichkeiten des Moiré-Effekts in der Architektur. Die geschwungenen Glasflächen und sich überlagernden Formen erzeugen ständige Veränderungen in der Wahrnehmung des Gebäudes, während Licht und Schatten miteinander spielen.
Und auch der „Torre Glòries“ in Barcelona nutzt eine gebogene und reflektierende Fassade, die bei unterschiedlichen Blickwinkeln und Lichtverhältnissen einen Moiré-Effekt erzeugt. Die Glasoberfläche ändert sich kontinuierlich und verändert das Erscheinungsbild des Bürogebäudes, abhängig von der Umgebungsbeleuchtung und dem Blickwinkel des Betrachters.
Künstler, die den Moiré-Effekt nutzen.
M. C. Escher (1898-1972)
Einer unserer Favoriten ist M.C. Escher und einige seiner originalen Kunstwerke könnt ihr bei uns im Illuseum Berlin bewundern. Er ist berühmt für seine mathematisch inspirierten Grafiken und die Manipulation von Raum und Perspektive. In einigen seiner Arbeiten, wie „Reptilien“ (1948), finden sich moiré-artige Muster, die die Grenze zwischen Illusion und Realität verschwimmen lassen. Sein Spiel mit sich wiederholenden Strukturen und komplexen Anordnungen gibt den Betrachtern das Gefühl, in eine andere Dimension einzutauchen.
Victor Vasarely (1906-1997)
Victor Vasarely gilt als einer der Väter der Op-Art, einer Bewegung, die Optical Illusions und visuelle Phänomene in den Mittelpunkt stellte. In vielen seiner Werke, wie „Zebra“ (1938) oder „Vega“ (1968), nutzt er den Moiré-Effekt, um ein Gefühl von Bewegung und Tiefe zu erzeugen. Ihre Überlagerung von Farben und Formen spielt mit dem Auge des Betrachters und erzeugt eine beeindruckende visuelle Dynamik.
Bridget Riley (geb. 1931)
Die britische Künstlerin Bridget Riley ist bekannt für ihre geometrischen Muster und den Einsatz des Moiré-Effekts in ihren Gemälden. Werke wie „Cataract 3“ (1967) zeigen uns, wie überlappende Muster visuelle Spannung und Bewegung erzeugen können. Ihr Werk besteht aus subtilen Variationen von Farbe und Form, die das Seherlebnis noch zusätzlich intensivieren.
Wolfgang Laib (geb. 1950)
Der zeitgenössische Künstler und Bildhauer Wolfgang Laib hat in einigen seiner Installationen und Objekte Moiré-Muster verwendet, um die Interaktion zwischen Licht und Material zu erforschen. Seine Arbeiten erkennen oft die Bedeutung des natürlichen Lichts und der Überlagerung an und schaffen eindrucksvolle visuelle Effekte in einfachen, eleganten Formen.
Unser Fazit: Moiré est super génial
Der Moiré-Effekt ist ein Phänomen, das – wie wir finden – gleichermaßen fasziniert und herausfordert. Ob als ästhetisches Element in der Kunst oder als störendes Problem in der Technik – das Verständnis seiner Entstehung und Vermeidungsmöglichkeiten macht den Unterschied. Denn er ist ein kraftvolles Werkzeug für Künstler und Architekten, um Raum, Bewegung und Wahrnehmung zu erkunden.
Von den klassischeren Ansätzen in der Op-Art bis hin zu modernen architektonischen Meisterwerken zeigt der Moiré-Effekt die unendlichen Möglichkeiten, die sich aus der Überlagerung von Mustern und Strukturen ergeben. Indem Künstler und Architekten diesen Effekt nutzen, laden sie das Publikum ein, die Beziehung zwischen Auge und Raum neu zu entdecken. Der Moiré-Effekt bleibt somit ein lebendiges Beispiel für die Kraft der visuellen Kunst und des Designs.
Für den Fall, dass du deine eigenen Erfahrungen mit dem Moiré-Effekt machen möchtest, haben wir hier eine einfache Anleitung, wie du selbst ein Kunstwerk mit dem Moiré-Muster gestalten kannst.
Moiré – Do it yourself!
Um dein eigenes Moiré-Muster zu gestalten, musst du keine vorgefertigte Schablone haben, so wie wir sie im Museum verwenden.
Du brauchst:
2 Bögen Pauspapier oder ersatzweise Butterbrotpapier (A5)
Permanentmarker in 2 Farben
ein Lineal
Optional: ein Millimeterpapier
Und so geht’s:
Lege ein Pauspapier auf das Millimeterpapier und mache mit dem Lineal Linien in einer deiner Farben im Abstand von einem halben Zentimeter. Hast du kein Millimeterpapier zur Hand, kannst du deine Abstände auch ungefähr machen. Und genau dasselbe machst du mit dem zweiten Pauspapier und einer anderen Farbe.
Wenn beide Papiere voll Linien sind, legst du beide Blätter so übereinander, dass eines leicht verschoben ist. Und siehe da! Nun kannst du die optische Täuschung bestaunen!
Die Linien verzerren sich dort, wo sie übereinander gelegt wurden. Wir wünschen dir ganz viel Spaß beim Ausprobieren!